Prof. Willerich Peukert, der Retter volkskundlicher Sagen, brachte diese Schrift über irische Elfenmärchen heraus. Dieses Wissen über die Elben ist fundamental wichtig für unsere Sagenforschung. Hier sind ein paar Auszüge aus den Schriften, die in modernen Ausgaben leider nicht vollständig sind. Irische Elfenmärchen der Gebrüder Grimm,
herausgegeben von Willerich Peukert, Weidemannsche Verlagsbuchhandlung Berlin 1948
Die Elfen, die in ihrer wahren Gestalt kaum einige Zoll hoch sind, haben einen lustigen, fast durchsichtigen Körper, der so zart ist, dass ein Tautropfen, wenn sie darauf springen, zwar zittert, aber nicht auseinander rinnt. Dabei sind sie von wunderbarer Schönheit.
Elfen sowohl als Elfinnen und sterbliche Menschen können mit ihnen keinen Vergleich
aushalten. Sie leben nicht einsam oder paarweise, sondern allzeit in großen
Gesellschaften.
Den Menschen sind sie unsichtbar, zumal am Tage, und da sie zugegen
sein und mit anhören könnten, was man spricht, so drückt man sich nur vorsichtig und
mit Ehrerbietung über sie aus und nennt sie nicht anders als das gute Volk, die Freunde.
Ein anderer Name würde sie beleidigen.
Sieht man auf der Landstraße große Wirbel von Staub aufsteigen, so weiß man, dass sie im Begriffe sind, ihre Wohnsitze zu verändern, um nach einem anderen Ort zu ziehen.
Und man unterlässt nicht, die unsichtbaren Reisenden durch ehrfurchtsvolles Neigen zu grüßen. Ihre Häuser haben sie in Steinklüften, Felsenhöhlen und alten Riesenhügeln. Ihnen ist alles aufs Glänzende und Prächtigste eingerichtet, und die liebliche Musik, die zuweilen nächtlich daraus hervordringt, hat noch jeden entzückt, der so glücklich gewesen ist, sie zu hören.
In den Sommernächten, wenn der Mond scheint, am liebsten in der Erntezeit,
kommen die Elfen aus ihren geheimen Wohnungen hervor und versammeln sich zum Tanz auf gewissen Lieblingsplätzen, gleichfalls heimliche und verborgene Orte wie Bergtäler, Wiesengründe bei Bächen und Flüssen, Kirchhöfe, wohin selten Menschen kommen.
Oft feiern sie ihre Feste unter geräumigen Pilzen und ruhen unter ihrem Schirmdach. Bei
dem ersten Strahl der Morgensonne verschwinden sie wieder, und es ist als Rausche ein
Schwarm Bienen oder Mücken dahin. Ihre Kleidung ist schneeweiß, manchmal
silberglänzend.
Notwendig gehört dazu ein Hut oder ein Käppchen, wozu sie meist die roten
Blütenglocken des Fingerhuts wählen und wodurch sich Parteien auszeichnen. Die
geheimen Kräfte der Elfen, ihre Zaubermacht, ist so groß, dass sie kaum Grenzen kennt.
Nicht bloß die menschliche, jede andere Gestalt, selbst die abschreckendste, können sie
augenblicklich annehmen, und es ist ihnen ein leichtes, in einer Sekunde über eine
Entfernung von fünf Stunden hinwegzuspringen.
Vor ihrem Anhauch schwindet jede menschliche Kraft. Manchmal teilen sie den
Menschen etwas von der Wissenschaft über natürlicher Dinge mit, und erblickt man
einen, der wie in halbem Wahnsinn mit Bewegung der Lippen einsam auf und ab geht, so
ist eine Elfe unsichtbar bei ihm und belehrt ihn.
Die Elfen lieben über alles die Musik. Wer sie angehört hat, kann nicht beschreiben, mit welcher Gewalt sie die Seele erfülle, und entzücke. Gleich einem Strom dringe sie mächtig entgegen, und doch scheinen die Laute einfach selbst eintönig und überhaupt Naturlauten ähnlich zu sein.
Zu ihren Belustigungen gehört das Ballspiel, da sie mit großem Eifer treiben und worüber sie oft bis zum Streit uneins werden können. In kunstreichen Tanz übertreffen sie weit alles, was Menschen leisten können, und ihre Lust daran ist unermüdlich.
Sie tanzen ununterbrochen, bis der Sonnenstrahl an den Bergen sich zeigt, und machen die kühnsten Sprünge ohne die mindeste Anstrengung.
Nahrung scheinen sie nicht zu bedürfen. Sie laden sich an Tautropfen, die sie von den Blättern sammeln. Menschen, die vorwitzig sich nähern oder gar sie necken, bestrafen sie hart, sonst pflegen sie gegen Wohlgesinnte, die ihnen vertrauen, freundlich und hilfreich zu sein.
Sie nehmen einen Höcker von der Schulter, schenken neue Kleidungsstücke, versprechen, einen Wunsch zu erfüllen, obgleich auch hier gute Laune von ihrer Seite nötig zu sein scheint.
Sie lassen sich auch wohl in menschlicher Gestalt sehen oder jemand, des Nachts zufällig
unter sie geraten ist, Teil an ihren Tänzen nehmen. Aber etwas Gefährliches liegt allzeit
in dieser Berührung. Der Mensch erkrankt danach und fällt von der unnatürlichen
Anstrengung, da sie ihm etwas von ihren Kräften zu verleihen scheinen, in ein heftiges
Fieber.
Vergisst er sich und küsst die sittige Mäß seine Tänzerin, so schwindet in dem Augenblick, wo seine Lippen sie berühren, die ganze Erscheinung. Erblickt man sie in seltenen Fällen bei Tag, so zeigen sie ein von Alter eingefallenes oder, wie man sich ausdrückt, welkem Blumenkohl ähnliches Gesicht. Eine kleine Nase, rote Augen und das weiße Haar eines steinalten Greisen.
Das Land der Jugend
Unter dem Wasser liegt ein Land so gut wie oben, wo die Sonne scheint, Wiesen grünen,
Bäume blühen, Felder und Wälder abwechseln. Städte und Paläste nur viel prächtiger
und glänzender sich erheben und das von glücklichen Elfen bewohnt wird. Hat man in
dem rechten Augenblick an den Ufern des Sees die rechte Stelle gefunden, so kann man
alle diese Herrlichkeiten mit Augen sehen.
Einige, die ins Wasser gefallen und ohne Schaden zu nehmen, dort angelangt sind, haben
bei ihrer Heimkehr Bericht erstattet. Diese Unterwelt heißt das Land der Jugend, weil die
Zeit dort keine Macht hat. Niemand altert und wer viele Jahre da unten gewesen ist, den
hat es nur einen Augenblick gedeucht.
An gewissen Tagen bei aufgehender Sonne erscheinen diese Elfen auf der Oberfläche
des Wassers, in größter Pracht und in allen Farben des Regenbogens schillernd. Mit
Musik und Tanz in ungezügelter Lust ziehen sie einen bestimmten Weg auf dem Wasser
dahin, das unter ihren Füßen so wenig weicht, als die feste Erde unter den Tritten der
Menschen, bis sie endlich im Nebel wieder verschwinden.